Zyklusgesteuertes Training: Menstruation ...

Zyklusgesteuertes Training: Menstruation im Ausdauertraining zwischen Hype und Fakten

May 29, 2021

Das Hormone einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und auch auf die Motivation und Verhalten haben können ist bekannt. Die "Sportendokrinologie" liefert sehr spannende Einblicke in die Funktionen, Wirkweisen und auch Interaktionen der Hormone im Körper des Trainierenden. Während bei männlichen Athleten das Sexualhormon Testosteron oft im Fokus der Betrachtungen steht, sind hormonelle Aspekte des weiblichen Zyklus in den letzten Monaten immer wieder in den Zentrum vor allem des "populären" Diskurses gerückt. Dabei werden neben biologischen Grundlagen auch teilweise sehr extreme Positionen dargestellt, denen in ihrer Gesamtheit eher subjektivem Erfahrungswissen als empirische Untersuchungen zu Grunde liegen. Ob beispielsweise bestimmte Samen zu einem Zeitpunkt des Zyklus besonders gut oder schlecht angenommen werden, ist durch empirische Untersuchungen nicht gedeckt. Auch Empfehlungen, dass Maximalkrafttraining besonders in bestimmten Zyklusphasen zu absolvieren sind, vermischt Trainierbarkeit, Regeneration und Trainingsmethoden in einem Maße, das keine empirische Studie derzeit ohne weiteres belegt. Das der weibliche Körper während des monatlichen Zyklus hormonellen Schwankungen unterliegt, ist kein Geheimnis. Dennoch wissen nur wenige Trainerinnen den Zyklus ihrer Athletinnen und möglichen Auswirkungen auf die Trainierbarkeit Bescheid. Gerade bei männlichen Trainern sind Unsicherheiten zu diesem Thema keine Seltenheit. Auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht durchaus sehr viele offene Fragen gibt, ist es für Trainer*innen durchaus notwendig, offen mit Fragen rund um den weiblichen Zyklus umzugehen. Die Komplexität der Zusammenhänge von sportlicher Leistungsfähigkeit, Menstruationsbeschwerden und der Wirkung von Training liefert interessante Ansätze für das Belastungsmanagement. Möglicherweise kann das Berücksichtigen der individuellen Zyklusphasen einen Einfluss auf die Trainingswirkung und die resultierenden Anpassungen haben. Ich möchte Ihnen einen kleinen Überblick zu einer sehr interessanten Thematik geben: die Bedeutung des ihrer Sportlerinnen im Hinblick auf sportliches Training.

Auf einen Blick:

  • Die Phasen des weiblichen Zyklus

  • Hormone und Training

  • Trainingsbelastungen und Trainingswirkung im Monatszyklus

Hormonelle Veränderungen sind im weiblichen Körper Monat für Monat Auslöser für die Menstruation verantwortlich. Schmerzen und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit aufgrund des so genannten Prämenstruellen Syndroms (PMS) sind dabei keine Seltenheit. Allerdings ist im Leistungssport gerade bei sehr hohen konditionellen Anforderungen auch das Ausbleiben der Regelblutung, die so genannte Amenorrhoe bekannt. Neben einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit aufgrund von Schmerzen und anderen Begleiterscheinungen der "Tage" haben auch die der Menstruation zu Grunde liegenden Hormone einen Einfluss auf die Trainierbarkeit.

Trainer*innen müssen mit Ihren Sportlerinnen kommunizieren

Die hormonellen Veränderungen im Laufe eines weiblichen Zyklus beeinflussen nicht nur das Wohlfühlen der Frau, sondern können auch direkt auf die Leistungsfähigkeit der Athletinnen wirken. Dabei sind Phasen mit Leistungseinbußen und schlechter Trainierbarkeit von Zeitpunkten einer gesteigerten Leistungsfähigkeit abgrenzbar. Trainerinnen sollten also aus 2 Perspektiven ein vordergründiges Interesse haben die Funktionszusammenhänge der hormonellen Schwankungen und der Trainierbarkeit zu kennen. Im Grunde genommen sollte es sogar selbstverständlich sein, dass sporttreibende Frauen einen Zykluskalender führen und diesen mit einem Trainingstagebuch in Verbindung bringen. Im ersten Schritt möchte ich aber die Leserinnen für das Thema sensibilisieren.

Die Phasen des Zyklus

Auf den Proteinstoffwechsel wirkt vor allem das weibliche Sexualhormon Östradiol, das als eher aufbauendes Hormon eine eher "aufbauende" Wirkung entfaltet. Diesem "anabolen" Effekt entgegengesetzt wirkt das Progesteron. Die Phase von der Menstruation bis zum Eisprung bezeichnet man als Follikelphase (siehe Abb. 1). In dieser Phase steigt das Östrogen bis kurz vor Ende der Ovulation stark an. Währenddessen bleibt die Progesteronkonzentration konstant niedrig. In der Phase nach der Ovulation, bis hin zur Menstruation kehrt sich dieses Verhältnis um. Es dominiert das Progesteron und die Östrogenkonzentration nimmt ab. Diese Phase wird als die Lutealphase bezeichnet.

Hormone und Ihre Wirkung

Die körperlichen Veränderungen im weiblichen Zyklus werden im Wesentlichen von den Hormonen Östrogen und Progesteron bestimmt. Diese sogenannten Steoridhormone sind die weiblichen Sexualhormone und wirken ebenso wie das männliche Sexualhormon Testosteron auch auf die Leistungsfähigkeit des weiblichen Körpers. Östrogen wirkt dabei vorrangig anabol und beeinflusst somit sowohl die Regenerationsfähigkeit nach hochintensiven Trainingseinheiten als auch das Muskelwachstum. Progesteron wirkt indes eher hemmend (1). Wenn man nun davon ausgeht, dass vor allem anabole Stoffwechsellagen auf den Aufbau von Muskulatur aber auch auf die Regenerationsfähigkeit des Organismus einen Einfluss haben, sollte die Follikelphase eine Zeit der besseren Trainierbarkeit darstellen. Ermüdende Trainingseinheiten wie intensive Intervalle im Ausdauersport hingegen könnten in der Lutealphase zu erhöhter Beanspruchung im Vergleich zur Follikelphase führen. Allerdings müssen wir festhalten, dass die empirische Datenlage zu diesen Annahmen noch nicht auf einem breiten Fundament steht. Allerdings gibt es Hinweise primär aus Studien, die sich mit der Wirkung von Krafttraining auf den Zyklus auseinandergesetzt haben, die darauf hinweisen, dass signifikante Effekte zu erwarten sind (2).

Sind die Unterschiede deutlich?

Die Studienlage zu dem Thema Menstruation und Training ist nach wie vor sehr dünn. Nur wenige Daten liegen mit ausreichend hoher Probandenzahl und guter Studienqualität vor. Physiologische Messgrößen, wie die Sauerstoffaufnahme (VO2max) und auch die Laktatbildungs- und -abbauraten scheinen sich über den Zyklus nicht zu verändern. Das selbe gilt für die Masse der roten Blutkörperchen, die Herzfrequenz und auch für die Parameter der Ventilation (3). Diese Ergebnisse deuten zunächst einmal darauf hin, dass im Ausdauersport nicht mit großen Unterschieden bezogen auf physiologische Leistungsparameter zu rechnen ist. Das spricht dafür, dass allein die Regenerationsfähigkeit (anabol vs. katabole Stoffwechsellage) von Bedeutung sind. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass gerade bei heißen und trockenen Bedingungen Unterschiede in den Zyklusphasen auftreten. In der Lutealphase ist die Ausdauerleistungsfähigkeit bei Wettkämpfen reduziert, was auf eine verminderte Hitzetoleranz zurückzuführen. Die Kombination aus Hitze, Stress, Belastung und Lutealphase scheint in einer Überlastung des Systems zu resultieren (4).

Gleichen Sie Zyklus und Feedback ab!

Gerade im Frauensport muss die Kommunikation zwischen Trainer*in und Sportlerin sehr gut und intensiv geführt werden. Dabei geht es darum einschätzen zu können, wie sich eine Athletin fühlt. Intensives Training und große Umfänge müssen unter Umständen verschoben werden und die Trainingsinhalte auch auf die Befindlichkeiten abgestimmt werden, wenn eine Sportlerin sensibel ist und unter PMS leidet. Zu große Euphorie beim Abstimmen der Zyklusphasen und der Trainingsinhalte halte ich aber für verfrüht, da noch zu viele Fragen offen sind. Dennoch kann je nach Sportart eine ungeahnte Leistungsreserven drarin schlummern, sich mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Gerade die Regenerationsfähigkeit ist ein wichtiger Schlüssel beim Abstimmen der Trainingsinhalte und -übungen.

Fazit

Für die Zukunft ist es wünschenswert, dass sich die Datenlage zum Thema Training und Menstruation durch neue Studien weiter festigt. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Frauen und junge Mädchen auch während der Regelblutung trainieren dürfen und sollten. Vor allem im Schulsport sollten die mit der Regel verbundenen körperliche Beschwerden nicht zu einer Befreiung vom Sportunterricht führen. Schmerzen in Bauch und Kopfschmerzen lassen sich akut sogar durch leichtes Training verbessern. Sport und körperliche Betätigung haben eine positive Wirkung auf das Beschwerdebild des PMS und vor allem Verkrampfungen sind durch Ausdauertraining zu lösen. Für das gezielte Training sollten Sie darauf achten, dass Sie sich vor allem die subjektive Befindlichkeit notieren und Leistungsschwankungen mit ihrem Zykluskalender beobachten. Als Trainer*in sollten Sie aber immer auf die Intimsphäre Ihrer Sportlerinnen Rücksicht nehmen. Sind Sie hingegen eine Sportlerin zählt vor allem, dass Sie auf Ihren Körper hören. Auch wenn die Datenlage noch recht dünn ist, empfehle ich einen solchen Versuch. Sollten Sie beispielsweise in der Lutealphase ohnehin Schwierigkeiten haben intensive Trainingseinheiten durchzuführen, kann ein Training der Maximalkraft oder von intensiven Intervallen durch moderates Training ersetzt werden. Hier sind Ihren gestalterischen Phantasien keine Grenzen gesetzt. Probieren Sie es doch einfach mal aus.

Trainingstipps

  • Führen Sie einen Zykluskalender

  • Gleichen Sie Ihr subjektives Befinden mit den Phasen Ihres Zyklusses ab

  • Legen Sie intensives Training nach Möglichkeit nicht kurz vor oder in die Menstruationsphase

  • Im Schul- und Vereinssport ist die Menstruation kein Grund vom Sporttreiben abzusehen

Fachsprache leicht gemacht

  • Ovulatorischer Zyklus – anderer Begriff für den Menstruationszyklus

  • Follikelphase – Phase zwischen Eintritt der Menstruation und dem Eisprung

  • Lutealphase – Phase zwischen Eisprung und Beginn der nächsten Menstruation

  • Anabole Stoffwechsellage – anabol bedeutet „aufbauend“, also eine muskellaufbauende Stoffwechsellage. So kommen Trainingsanpassunge erst durch anabolen Phasen zur Wirkung

  • Menstruation – Regelblutung

Literatur

1) Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2003, Bd. 54 (7&8), S. 26.

2) Reis, E. (1996). Menstruationszyklusgesteuertes Krafttraining. Schorndorf: Hoffmann.

3) Sports Med. 2003, Bd. 33 (11), S. 833-851.

4) Med Sci Sports Exerc. 2012, Bd. 44, (11), S. 2190-2198.

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