Krafttraining für Frauen: "Good to know" ...

Krafttraining für Frauen: "Good to know"!

Jul 23, 2021

Auf einen Blick

  • Wissenswertes zu den körperlichen Grundlagen des Krafttrainings bei Frauen

  • Schwerpunkte, die Sie in der Planung berücksichtigen sollten

  • Profitieren Sie von angepassten Trainingsmethoden

Trainer*innen und Sportlerinnen aus den verschiedensten Sportarten sehen den Einsatz von Krafttraining im Frauensport oftmals noch kritisch. Einerseits steht dabei die Angst im Vordergrund durch Krafttraining enorm an Gewicht zuzulegen. Auf der anderen Seite wird der Nutzen des Krafttrainings oft verkannt, obwohl hinlänglich bekannt ist, welche Bedeutung der Kraft im Sport zukommt. Dabei profitieren gerade Frauen wenn sie ein gezieltes Krafttraining in die Trainingsplanung aufnehmen. Grundsätzlich müssen die Anforderungen jeweiligen Sportart und auf das Krafttraining aber auf die physiologischen Voraussetzungen des weiblichen Körpers angepasst werden. Trainer*innen müssen außerdem

Problematisch wird es zudem, wenn wie kürzlich erst wieder geschehen Trainer*innen aktuelle Konzepte nicht verstehen, aber mit Kritik an die Öffentlichkeit gehen. Die ehemalige Trainerin Gertrud Schäfer lies sich dabei zu der folgenden Äußerung hinreisen.

"Man muss sich nur mal die Ausfälle in Ratingen anschauen", beklagt Schäfer, die den Zehn- und Siebenkampf am 19./20. Juni vor Ort verfolgte. "Da wird einfach nicht richtig trainiert. Da wird immer noch das Krafttraining aus dem Gewichtheben gemacht und die am meisten beanspruchten Körperteile nicht entsprechend trainiert und belastet. Was hat denn die tiefe Kniebeuge mit unseren Übungen zu tun?", fragt sie etwa kopfschüttelnd.

Dieser Aussage zugrunde liegt die längst durch Studien widerlegte These "Hochspringer*innen trainieren Ihre Kraft am besten in dem Winkel trainieren, in dem der Absprung erfolgt. Genau an der Stelle müssen Aussagen also aus 2 Perspektiven betrachtet werden: was ist das Ziel und wie erreiche ich dieses Ziel am besten. Gerade die tiefe Kniebeuge hat sich dabei in vielerlei Studien als sehr zielführend erwiesen.

Kommen wir nun zurück zum Krafttraining für Frauen.

Der kleine große Unterschied

Der größte Unterschied zwischen Männern und Frauen bezogen auf das Krafttraining ist die Muskelgröße und die damit verbundene Maximalkraft (1). Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Muskelvolumen und der lokalen Muskelausdauer ebenso wie zwischen Volumen und der maximalen Kraftentfaltung. Da Frauen innerhalb einzelner Muskeln eine geringere Anzahl von Muskelfasern aufweisen, liegt nahe, dass dies eine direkte Auswirkung auf die Kraftentwicklung hat. Hinzu kommt, dass die Muskelfasern von Frauen auch noch eine geringere Fläche im Querschnitt (1) aufweisen. Umso wichtiger ist es, dass Frauen Krafttraining gezielt einsetzen, um ihre Leistungsentwicklung weiterentwickeln zu können. Durch das Krafttraining mit hohen Gewichten entwickeln eben auch weibliche Athleten die Fähigkeit mehr Muskelfasern aktivieren zu können. Neuronale Anpassungen wie diese bieten Frauen die Chance ihre maximale Kraftentfaltung zu steigern. Gleichzeitig bilden die Phasen im Training, in denen der Schwerpunkt auf der Muskelhypertrophie liegt, die Basis für den erfolgreichen Einsatz des Krafttraining. Im Vergleich zu Männern können deshalb Trainingsblöcken, die auf hohe Muskuläre Spannungen abzielen, ein größerer zeitlicher Umfang eingeräumt werden.

 

Frauen sollten im Training:

  • mit hohen Widerständen arbeiten

  • Ganzkörperübungen einbauen

  • über den vollen Gelenkwinkel trainieren

  • den Gesamttrainingsplan berücksichtigen

 

Die Wirkungen des Krafttrainings

Krafttraining hat vor allem bei Frauen ganz viele verschiedene positive Wirkungen. Die beziehen sich auf die Gesundheit ebenso wie auf die Leistungsfähigkeit. Vor allem die folgenden Punkte sind herauszustellen (1).

  • Verbessern der Knochendichte durch Mineralisierung

  • Vermeiden von Verletzungen durch starke Bänder und Sehnen

  • Verbessern der Leistungsfähigkeit im Sport und im Alltag

  • Steigern der fettfreien aktiven Körpermasse

  • Verringern des Fettanteils durch gesteigerte metabolische Aktivität

  • Erhöhen des Selbstbewusstseins

 

Frauen müssen dabei keine Angst haben, dass ihnen Muskelberge heranwachsen. Gerade geringere Konzentrationen der androgenen Hormone wie Testosteron erschweren es, Muskelwachstum bei Frauen in großem Umfang zu generieren. Selbst wenn der Muskelmasseanteil durch intensives Krafttraining zunehmen sollte, sind die Zuwächse geringer als bei Männern. Vorteilhaft ist aber, dass bei Frauen mit steigenden Muskelanteilen die fettfreie Masse zunimmt, während hingegen Fettanteile abgebaut werden. So erhöht sich die aktive Körpermasse und die Leistungsfähigkeit steigt!

Physiologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Frauen können Krafttraining grundsätzlich mit denselben Intensitäten und Umfängen durchführen wie Männer. Trotzdem müssen wichtige Faktoren bei der Planung berücksichtigt werden. Es gilt vor allem Ängste vor ungehemmtem Muskelwachstum zu nehmen. Ohne exogene Testosteronzufuhr werden Frauen kaum nennenswerte Massezunahmen zu erwarten haben. Es mag sich nun jeder selbst denken, warum es im weiblichen Bodybuilding auch exorbitant hohe Muskelmasse zu sehen gibt.

Frauen haben innerhalb eines Muskels geringere Anzahlen von Muskelfasern. Diese Fasern sind zudem kleiner im Vergleich zu den Fasern eines Mannes. Allerdings weisen Frauen die gleichen Verteilungen von Fasertypen auf wie Männer. Unterschiede gibt es nur im Verhältnis der Muskelfasern. 75 % der untrainierten Frauen haben größere Anteile ST Fasern als FT Fasern. Unter den anderen 25 % sind diejenigen Frauen zu finden, die bereits in Kraft oder Schnellkraftsportarten aktiv sind1. Grund für diese Verteilungen liegen aber wohl eher darin, dass Frauen im Alltag kaum Kraftbelastungen ausgesetzt sind.  Bei untrainierten Männern finden die wesentlich breiteren Verteilungen der Faseranteile. Die Faserverteilung spricht auch dafür, dass bei Frauen in Ausdauersportarten Krafttrainingsphasen mit dem Schwerpunkt Hypertrophie länger dauern als bei Männern! Vor allem von der Zunahme des Muskelquerschnitts profitieren Frauen in hohem Maße, wenn gleichzeitig Fett reduziert werden kann.

 

Unterschiede in der Hormonkonzentration und Leistungsfähigkeit

Die Unterschiede in Größe und Anzahl der Muskelfasern macht sich in den absoluten Kraftunterschieden zwischen Mann und Frau bemerkbar. Die durchschnittliche mittlere Maximalkraft verschiedener Muskeln beträgt 60 % der Kraftleistung von Männern (1). Diese Werte beziehen sich auf große Gruppen und vergleichbaren Sportarten. Ähnliche Verteilungen der maximalen Leistungsfähigkeit findet man auch bei Sprungkraftuntersuchungen. Diese Unterschiede lassen sich aber u.a. mit den unterschiedlichen Anteilen der Muskelfasern erklären. Der grundlegendste Gegensatz bei Männern und Frauen sind die Konzentration der Sexualhormone. Frauen unterliegen zudem im Rahmen der Menstruation großen Schwankungen in der Konzentration bestimmter Hormone. Da die verschiedenen weiblichen Sexualhormone wie Gestagene und Progesteron Auswirkungen auf das Training haben, ist der Zyklus möglicherweise zu berücksichtigen. Dabei muss das Training in bestimmten Phasen des Zyklus wohl eher reduziert werden, während in anderen Phasen größere Umfänge realisiert werden können (2). Auch Testosteron, das wirkungsvollste Hormon mit großem Einfluss auf die Leistungsfähigkeit ist bei Frauen in unterschiedlichen Konzentrationen vorhanden. Frauen mit hohen Anpassungsfähigkeiten auf Krafttraining

  • Weisen hohe Testosteronkonzentrationen auf

  • Haben eine größere Hormonresonanz nach Krafttraining

  • Haben geringere Östrogen/Testosteron Verhältnisse

  • Sind in der Lage größere Krafttrainingsumfänge zu tolerieren.

 

Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass möglicherweise die Berücksichtigung des weiblichen Zyklus sich positiv auf die Leistungsentwicklung auswirken kann (2). Diese Untersuchungen beschränken sich aber zumeist auf einen Zyklus. Untersuchungen über mehrere aufeinander folgende Menstruationszyklen existieren derzeit nicht. Auch müssen zukünftig Kontrollgruppen mit Frauen, die orale Kontrazeptiva (Pille) verwenden herangezogen werden, um andere Effekte, als die Veränderung der Hormone im Zyklusverlauf auszuschließen. Nach aktuellem Stand der Forschung kann die Berücksichtigung des ovulatorischen Zyklus positive Effekte haben, wobei weiterhin keine eindeutige Befundlage vorliegt. Sie sollten aber grundsätzlich von einer praktischen Relevanz ausgehen. Dabei muss wohl vor allem der Trainingsschwerpunkt in der Folikelphase zwischen Menstruation und Eisprung liegen.  

Trainingsmethodische Ansätze: wie Sie am besten vorgehen

Die Grundlage zur Entwicklung der Maximalkraft ist die Periodisierung und Phaseneinteilung in den Bereichen Hypertrophie und Intramuskulären Krafttraining (IK-Phase). Wie bereits beschrieben ist auf die Hypertrophiephase ein großes Augenmerk zu legen. Erfahrungen aus dem Bereich Hochleitungssport Gewichtheben zeigen, dass die Belastungstoleranz in der IK-Phase bei den Frauen eher limitiert ist. Das bedeutet, dass sich die positiven Erfahrungen aus dem Männerbereich in der Leistungsausprägungsphase mit schweren Gewichten nur bedingt auf das Training von Frauen übertragen lassen. Eine Belastungsgestaltung in der Größenordnung von 3–5 RM dagegen, hat sich dagegen als positiv erwiesen. Hier wurden besonders dynamische Langhantelübungen aus dem Gewichtheben wie Reißen oder Umsetzen, sowie komplexe Langhantelübungen wie Kniebeuge oder Schwungdrücken angewendet. Ein weiterer positiver Aspekt scheint die psycho-motivationale Ebene des Satztrainings bei Frauen zu sein. Das heißt, Frauen sind fleißig und mögen das Umfangstraining. Ausbelastungen im 1er Spitzenbereich werden dagegen eher gemieden und obliegen eher dem Männerbereich (sich messen wollen) mehr. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch in der Trainingshäufigkeit und Trainingsanwendung progressiver als im Männertraining geplant werden kann.

 

Tipps für Ihr Krafttraining

Frauen können von Krafttraining ebenso profitieren wie Männer. Allerdings müssen einige Unterschiede in der Planung berücksichtigt werden. Berücksichtigt werden muss vor allem die Muskelfasergröße und -verteilung. Deshalb sollten Sie als Frau bzw. als Trainer von Frauen folgende Punkte berücksichtigen:

 

  • Bauen Sie längere Hypertrophiephasen ein, so dass mehr Gewicht auf Muskelaufbau gelegt wird

  • Erst im Anschluss lässt sich optimal die Maximalkraft steigern

  • Ganzkörperübungen mit der Langhantel sollten einen Schwerpunkt bilden

  • Trainieren Sie komplex mit Langhantelübungen und freien Gewichten

Den Originalbeitrag "So trainieren Frauen am besten ihre Kraft" kann im pdf Format hier heruntergeladen werden:

https://www.buymeacoffee.com/train2pro/e/38245


1 Zatsiorsky, V. & Kraemer, W. (2006). Science and Practice of  Strength Training. Human Kinetics: Champaign, Illinois.

2 Leistungssport, 2008. Bd. 38 (1), S. 24–29.

 

 

 

 

 

 

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