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Wie aus Periodisierung Individualisierung wird: adhoc Planung mit System

May 02, 2021

Auch wenn die klassische Periodisierung immer wieder totgesagt wird, zeigt sich doch, dass sich Konzepte auch weiterentwickeln können, wenn man die vielen Modelle ansieht, die zu dem Thema existieren. Von der klassischen Periodosierung in Form eines Mehrphasen Jahresmodells über die Blockperiodisierung bis hin zur Reverse Periodisierung. Nicht alles macht Sinn, nicht alles ist gut und Training darf auch nicht zu kompliziert werden.

Der grundlegende Trainingsaufbau erscheint oftmals gar nicht so kompliziert. Es gibt kurzfristige und langfristige Ziele und es gibt unterschiedliche motorische Beanspruchungsformen, die verbessert werden sollen. 

Triathlontraining hingegen erscheint schon auf den ersten Blick kompliziert! Sie müssen versuchen, auf den Punkt fit zu werden und das in gleich drei Disziplinen. Während Radfahrer und Läufer eine Vielzahl an Wettkämpfen bestreiten, sind Sie als Triathlet eher darauf angewiesen, bei wenigen ausgewählten Rennen in Bestform anzutreten. Das ist der höheren Belastung durch die Wettkampflänge wie zum Beispiel bei Mittel- oder Langdistanzen geschuldet, liegt aber auch an der Belastungsintensität bei Sprint- oder olympischen Distanzen. Straßenradfahrer dagegen kommen selbst auf Senioren- oder Amateurniveau auf bis zu 40 Renntage pro Jahr –für Triathlet*innen, die Höchstleistungen bringen wollen, unmöglich. 

Athlet:innen und Trainer:innen suchen seit jeher Antworten auf die Frage, wie Training am besten zu strukturieren ist, wenn ein bestimmtes sportliches Ziel erreicht werden soll. Kann die Trainingswissenschaft hier helfen oder wirft sie doch nur neue Fragen auf? Werden Aspekte der Trainingswissenschaft mit Praxiserfahrungen und Trainerwissen bzw. Trainererfahrungen zusammengebracht, wird die Trainingstheorie als Trainingslehre beschrieben. Auch wenn diese Unterscheidung auf den ersten Blick kleinlich erscheinen mag: Für die Erkenntnisse rund um Ihr Training ist sie von sehr großer Bedeutung! Denn all die Theorie, auf deren Basis Sie Ihre Belastung zu steuern versuchen, besteht aus einer Mischung aus praktischen Erfahrungen erfolgreicher Sportler und Trainer und nur zu einem Teil aus wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen. Gerade die weit verbreiteten Trainingsprinzipien, aber auch die Empfehlungen zur Periodisierung beruhen in weiten Teilen auf sportpraktischen Erkenntnissen. Diese sind zwar im Vergleich mit harten wissenschaftlichen Fakten nicht weniger wert. Die Unterscheidung sollten Sie dennoch im Hinterkopf behalten, wenn Sie die theoretischen Modelle zur Periodisierung bei Ihrer Trainingsplanung umsetzen möchten.

Überholt: Die Heizkessel-Idee

Die Theorie von der Periodisierung des Trainings ist in den 1960er Jahren entwickelt worden. Damals waren die physiologischen und biologischen Hintergründe zu Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit noch weit vom heutigen Wissensstand entfernt. Der Trainingsprozess beruhte auf wenigen objektiven Informationen zur Physiologie, obwohl sich die Forschung zur Physiologie der Leistung immer weiter bemühten Erklärungen zu finden. Obwohl sich der Sport und auch die Sportwissenschaft diesbezüglich weiterentwickelt haben, ist die Periodisierung in der Theorie oft nahezu unverändert geblieben. Das hielt sogar die renommierte Fachzeitschrift „Sports Medicine“ in einem aktuellen Artikel fest. Die Periodisierungsmodelle, die Trainer und Sportwissenschaftler in Osteuropa entwickelten, sollen Sportlern und Trainern grundlegende Richtlinien bei der Trainingsplanung geben – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie beruhen allerdings auf einer sehr mechanistischen Vorstellung von den Körperfunktionen. So erklärte man Training damals mit „Regel-“ und „Steuerungsmodellen“, die aus der Mechanik oder der Mathematik stammen. Selbst in medizinischen Lehrbüchern um die Jahrtausendwende, findet man diese Modelle, die etwa den Flüssigkeitshausalt des Körpers anhand von Heizkesselsystemen beschreiben. Dass dies nicht die Wirklichkeit der modernen Sportphysiologie beschreiben kann ist aufgrund der modernen Kenntnisse zu den Prozessen um Signalmoleküle, Genexpresssion und der Biomedizin deutlich geworden.

In der Trainingstheorie und in der Sportpraxis trifft man auf zwei verschiedene Begriffe zum Trainingsaufbau: die „Zyklisierung“ und die „Periodisierung“. Während die Zyklisierung eine tiefergehende Betrachtung des Trainingsaufbaus meint, bei dem auch kleinere Planungsabschnitte berücksichtigt werden, beschreibt die Periodisierung die generelle Ausrichtung des Trainings auf einen oder mehrere Saisonhöhepunkte. Trainieren Sie auf einen Saisonhöhepunt hin, ist Ihre Periodisierung eingipflig, bei zwei Wettkampfhighlights benötigen Sie entsprechend eine zweigipflige Periodisierung. Bei beiden unterscheidet man verschiedene Trainingsphasen: die Vorbereitungsperiode, die Wettkampfperiode und die Übergangsperiode, wobei letztere die Saisonpause beschreibt. In der Regel wird die Vorbereitungsperiode in zwei bis drei Phasen unterteilt. Deren Inhalte lassen sich anhand sogenannter Mikro-, Meso und Makrozyklen weiter strukturieren, wobei Sie je nach Anzahl der geplanten Wettkämpfe aufbauende, stabilisierende oder reduzierende Phasen einbauen können.

Vom Großen zum Kleinen: 

  • Makrozyklen

Wenn Sie Ihren Jahresplan erarbeiten, strukturieren Sie die Saison zunächst grob in sogenannte Makrozyklen. An diesem Punkt der Planung müssen Sie wissen, wie viele sportliche Höhepunkte Ihr Jahr haben soll: Möchten Sie beispielsweise bei einer oder mehreren Langdistanzen starten? Wollen Sie auf der Mitteldistanz einplanen oder sind die Kurzstrecken Ihr Revier? Welche Trainingsinhalte für Sie die richtigen sind, hängt von Ihren physiologischen Voraussetzungen ab. Doch die erste grobe Struktur schaffen Sie, in dem Sie die Anzahl der Perioden festlegen, die Sie im Laufe des Jahres durchlaufen möchten. Für Sie beinhaltet das die erste Unterscheidung, wann genau Sie einen sportlichen Höhepunkt einplanen.

 

  • Mesozyklen

Innerhalb der Mesozyklen werden die inhaltlichen Wirkrichtungen bestimmt. Die Hauptwirkrichtung bestimmen jedoch die Mikrozyklen, aus denen jeder Mesozyklen aufgebaut ist – mit ihrer Hilfe können Sie Akzente setzen.

 

  • Mikrozyklen

In sogenannten Mikrozyklen, den kleinsten Bausteinen, stimmen Sie Ihre Planung langfristig ab. Mikrozyklen bestehen aus mehreren Trainingseinheiten (6), die ihnen eine theoretische Hauptwirkrichtung verleihen können. Ein Schwerpunkt könnte zum Beispiel aus Trainingseinheiten mit Intervallcharakter bestehen. Mikrozylen können sogar parallel laufen: Wenn Sie beispielsweise im Winter einen Schwerpunkt auf das Grundlagenausdauertraining legen, absolvieren Sie vielleicht auch ein regelmäßiges Krafttraining. Dieses sollte einer eigenen, speziellen Periodisierung folgen, die auch eigene Mikro- und Mesozyklen notwendig macht. Einen Mirkozyklus sollten Sie nach dem Prinzip der ansteigenden Belastung und der Blockbildung (s. u.) aufbauen. Das bedeutet, dass Sie mit wenig Umfang beginnen und diesen an aufeinanderfolgenden Tagen steigern – und zwar unabhängig von der Disziplin! Nach zwei bis drei Belastungstage in Folge sollten Sie einen Ruhetag einlegen. Viele Triathleten neigen dazu, auch an solchen Ruhetagen Training einzuplanen – Techniktraining im Wasser oder Kraft- und Athletiktraining zum Beispiel. Das ist ein grundlegender Fehler – Ruhetage sollten auch wirklich als Erholungsmöglichkeit genutzt werden.

Blockweise trainieren

Die Bildung von Trainingsblöcken darf nicht mit der relativ neuen Form der Blockperiodisierung verwechselt werden. Blocktraining beschreibt nichts anderes als das schon erklärte Zusammenfassen aufeinanderfolgender Trainingstage in einen Mikrozyklus. Alle ambitionierten Triathleten sollten ihr Training in Blöcken zusammenfassen, um Trainingsreize besser setzen zu können. Die Blockperiodisierung zu der der israelische Professor Vladimir Issurin in diesem Jahr interessante Arbeiten verfasst hat, dehnt diese Akzentuierung dagegen über mehrere Mesozyklen aus und legt die Hauptwirkrichtungen mit Hilfe von Schlüsseltrainingseinheiten fest. Während bei der klassischen Periodisierung die Rückkopplung der verschiedenen Inhalte kaum zu berücksichtigen ist und auch negative Interaktionen zwischen Trainingsreizen möglich sind, versucht man bei der Blockperiodisierung, die Belastung auf verschiedene Ziele zu konzentrieren, die dann bezogen auf das Training in jeder Disziplinen jeweils einen gemeinsamen Schwerpunkt bilden.

 

Periodisierung und Individualisierung: Aufpassen, dass Training nicht zur Beliebigkeit verkommt!

Diese modellhafte Trainingsstruktur stößt in der heutigen Zeit an ihre Grenzen – man weiß jetzt, wie Belastungen auf den Körper wirken und wie verschiedene Trainingsreize ihre Wirkung gegenseitig beeinflussen. War vor Jahren noch das aerobe Grundlagenausdauertraining der unangefochtene Schwerpunkt für Langdistanztriathleten, wird von Trainern zunehmend auch hochintensives Intervalltraining in das Training eingeplant. Was grundlegend für Profiathlet*innen mit einer über Jahre aufgebauten Grundlagenausdauer punktuell funktioniert, kann im Altersklassenbereich nach kurzem Formanstieg zu Stagnation in der Wettkampfleistung oder UUPS (Unexplained Under Performance Syndrom) werden. Auswirkungen auf den aeroben Stoffwechsel hat langfristig betrachtete das Grundlagenausdauer in höchstem Maße, wenn man den Energiestoffwechsel einbezieht. Allein auf die maximale Sauerstoffaufnahme reduziert, kann Intervalltraining eine Möglichkeit der Steigerung derselben sein. Liegt die Zielstellung auf der Langdistanz muss aber das Grundlangenausdauertraining mit niedriger Intensität den dominierenden Anteil des Trainings ausmachen. Intervalltraining kann kurzfristig betrachtet die Form schneller ansteigen lassen, ist jedoch langfristig betrachtet mit deutlich größeren Risiken für Leistungseinbrüche und Stagnation anzusehen. Gerade in den sozialen Medien wird rund um "Tabata Intervalle" und HIIT aber auch häufig der Kontext von vielen Trainer*innen ignoriert oder die Paper falsch verstanden.  Der japanische Sportwissenschaftler Izumi Tabata zum Beispiel konnte im Versuch zeigen, dass hochintensives Intervalltraining stärker auf die maximale Sauerstoffaufnahme wirkt, als umfangbetontes Ausdauertraining. Daraus jedoch den Umkehrschluss zu ziehen, dass mit den kurzerhand nach dem Autor benannten „Tabata-Intervallen“ Ausdauertraining zu ersetzen sei, zeugt von wenig physiologischem Verständnis und der Entwicklung von Mitochondrien bzw. der maximalen. Das Hauptproblem bei der Trainingsplanung sind die Interaktionen der verschiedenen Körpersysteme auf mikrobiologischer und biochemischer Ebene. Was für einen Athleten mit hohem Trainingsalter und großen aeroben Kapazitäten richtig sein kann, muss für einen Anfänger, der berufstätig ist und Familie hat, noch lange nicht funktionieren.

Langfristig denken ist von Vorteil

Wenn Sie wirklich mit System trainieren möchten, müssen Sie sich zunächst einmal mit ihrem Körper auseinandersetzen und Ihre Stärken und Schwächen erfassen. Wenn Sie dann Ihre Wettkampfziele festgelegt haben, besteht Ihr Planungsaufwand darin, zu entscheiden, wie Sie die Inhalte des Ausdauertrainings auf die Anforderungen im Wettkampf übertragen wollen. Anschließend stimmen Sie die Schwerpunkte, wie etwa das wettkampfspezifische Koppeltraining, die aerobe Grundlagenausdauer oder auch Motorik- und Techniktraining auf Ihre Voraussetzungen, Ihre Ziele und die Renntermine ab. Planen Sie dabei immer ausreichend Erholung ein und überprüfen Sie Ihre Leistungsentwicklung, zum Beispiel in Testwettkämpfen. Je langfristiger Sie Ihre Planung ausrichten, desto größer ist Ihre Chance, dass Sie zu Ihren Saisonhöhepunkten die bestmögliche Form erreichen. Allerdings bildet die Basis dafür immer Ihr Körper – trotz aller Planung ist deshalb ein gewisses Maß an Flexibilität und Variation notwendig.

Mein Vorschlag: adhoc Periodisierung

Um allen Aspekten der Individualisierung gerecht zu werden und dazu noch die Alltagsanforderungen zu berücksichtigen kann das Training im Detail nicht über Monate im Voraus geplant werden. Stattdessen kann es sinnvoll sein monatliche Umfänge grob zu skizzieren und das Training dann den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Die Skizzierung soll allein dabei helfen, nicht zu übersehen, dass die Umfänge möglicherweise im Vergleich zu den Vorjahren zu stark gesteigert wurde. Die adhoc Periodisierung nutzt darauf aufbauend tagesaktuelle Informationen, berücksichtigt das physiologische Profil und die Trainingsdaten sowie subjektive Belastungsinformationen der Vortage. So entsteht das passende Training. In einem der nächsten Artikel werde ich vertieft auf die Blockperiodisierung eingehen.

Dennis Sandig

 


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